Merkblatt zu Fragen der Selbstanzeige des Steuerstrafrechts

Merkblatt zu Fragen der Selbstanzeige des Steuerstrafrechts

Es gilt der Grundsatz: Der Tatbestand der Steuerhinterziehung ist dann erfüllt, wenn gegenüber den Finanzbehörden pflichtwidrig unrichtige und unvollständige Angaben gemacht wurden. Dies ist immer dann der Fall, wenn eine zu versteuernde Einnahme nicht offengelegt wurde.
Bei der Berechnung der Strafverfolgungsverjährung (gem. §§ 370, 376 AO i. V. m. § 78 III Ziffer 4 StGB; wie lange kann ich ein Strafverfahren gegen jemanden führen) ist immer zu unterscheiden zwischen der Fristdauer selbst, dem Fristbeginn und der Unterbrechung (etwaiger Neubeginn des Fristlaufs), und ob ein Regelfall oder ein besonders schwerer Fall vorliegt.
Daneben ist die Festsetzungsverjährung (§§ 169 – 171 AO) als rein steuerliche Verjährung zu beachten (hier kommt es darauf an, wie lange kann das Finanzamt eine Steuerforderung noch festsetzen).

Die Dauer der Strafverfolgungsverjährung
Die strafrechtliche Verjährungsfrist für den Regelfall einer Steuerhinterziehung beträgt fünf Jahre, für den besonders schweren Fall 10 Jahre.
Diese 5-Jahresfrist ist allerdings durch den Gesetzgeber Ende 2008 verschärft worden bei dem Fall der sogenannten besonders schweren Steuerhinterziehung. In diesem Fall läuft die Strafverfolgungsverjährung 10 Jahre. Ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung liegt dann vor, wenn die Steuerhinterziehung ein erhebliches Ausmaß erreicht. Der BGH hat für diese Erheblichkeitsgrenze nach seiner aktuellen Rechtsprechung einen Steuerbetrag von 50.000 EURO und bei der Nichtfestsetzung einen Betrag von 100.000 EURO angenommen. Wichtig ist allerdings dabei, dass für die vorgenannten Werte auf die Steuer pro Besteuerungszeitraum (i.d.R. das Kalenderjahr) nicht jedoch auf die Einnahmen (Umsätze) ankommt.
Grundsätzlich ist ein Verhandeln auch über diese Details vorzuziehen, als dass das Verfahren insgesamt streitig geführt wird. Entscheidend ist aber für jede Verjährungsbetrachtung der Beginn der Strafverfolgungsverjährung. Der Beginn liegt mit der Beendigung der Steuerhinterziehung. Eine Hinterziehung der Einkommensteuer ist vollendet und beendet, sobald der Einkommensteuerbescheid vorliegt. Wer also einen Steuerbescheid für das Jahr 2011 am 1. Oktober 2012 erhalten hat, kann nach Ablauf von fünf Jahren nach diesem Zeitpunkt, also am 1. Oktober 2017 nicht mehr strafrechtlich für diesen Zeitrahmen verfolgt werden, wenn es ein Regelfall ist.
Wichtig ist allerdings auch, dass zum Beispiel eine erfolgte Hausdurchsuchung die Frist von Neuem starten lässt, bzw. die Frist unterbricht. Ebenso kommt als Frage hinzu, ob die erfolgte Steuerhinterziehung als eine jeweils jährlich begangene oder als eine fortgesetzte Tat gesehen wird. Fortgesetzt wäre die Tat, wenn der Steuerpflichtige von Vorneherein vorhatte, für alle Veranlagungszeiträume keine vollständige Steuererklärung abzugeben. Dies ist natürlich eine Wertungsfrage. Heute wird in der Regel davon ausgegangen, dass in jedem Steuerjahr eine neue Tat begangen wird.
Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung gemäß § 371 AO
Die Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung ist in § 371 AO normiert. Gemäß § 371 I AO wird derjenige wegen Steuerstraftaten nach § 370 AO nicht betraft, welcher gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt und die Steuer bezahlt.
Es tritt dagegen keine Straffreiheit ein, wenn einer der Tatbestände des § 371 II Nr. 1 – 3 AO erfüllt ist, z.B. die Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bereits erfolgt ist.
Die Normierung des § 371 II Nr. 3 AO bezieht sich auf Steuerhinterziehungen, die einen Betrag von 50.000 Euro (pro Tat) übersteigen. Es wurde beschlossen, dass bei solchen Beträgen (Anlehnung an die BGH-Rechtssprechung zum „großen Ausmaß“, s. § 370 III, Nr. 1 AO) dem Steuerhinterzieher der Weg zur Steuerehrlichkeit versperrt wird.
Jedoch könnte hier der 2011 neu einführte § 398a AO zur Anwendung kommen. Diese Vorschrift wurde zeitgleich mit § 371 II Nr. 3 AO geschaffen. Ist der Tatbestand von § 371 II Nr.3 AO erfüllt, so wird von der Strafverfolgung abgesehen, wenn der Täter innerhalb einer bestimmten Frist die hinterzogenen Steuern zurückbezahlt und zusätzlich 5% dieser Summe der Staatskasse zahlt. Es handelt sich dabei nicht mehr um einen Strafaufhebungsgrund, wie bei der Selbstanzeige, sondern um ein Strafverfolgungshindernis. Vorbild für diese Norm ist § 153a StPO gewesen. Die Strafbarkeit bleibt, es wird lediglich auf die Verfolgung verzichtet. Wichtig bei § 398a AO ist, dass die Voraussetzungen einer Selbstanzeige vorliegen müssen und insbesondere kein Sperrgrund nach § 371 II Nr. 1 und 2 eingetreten ist. § 398a AO ermöglicht somit keine Umgehung der Sperrgründe des § 371 II AO und derjenige der mehr Steuern hinterzogen hat, wird somit nicht bevorzugt. Für ihn sind die Voraussetzungen zur Erlangung der „Straffreiheit“ strenger als bei einem „normalen Steuerhinterzieher“.
Völlig unabhängig von dieser strafrechtlichen Verjährungsbetrachtung ist die Festsetzungsverjährung zu sehen.
Die Regelung der Festsetzungsverjährung bestimmt, wie lange das Finanzamt zur Festsetzung von Steuernachzahlungen durch den Erlass eines Steuerbescheides berechtigt ist. Der Gesetzgeber unterscheidet bei der Dauer der Festsetzungsfrist gem. § 169 II Nr. 2 AO nach dem Grundfall (4 Jahre), der leichtfertigen Steuerverkürzung (5 Jahre) und der Verlängerung auf 10 Jahre bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung. Im Falle der erfolgreichen strafbefreienden Selbstanzeige liegt objektiv immer eine Steuerhinterziehung vor (die nur dann nicht bestraft wird).
Bei Vorsatz drohen erhebliche Steuernachzahlungen, wobei insbesondere auch die Zinsen die Liquidität deutlich belasten (6% pro Jahr).
Es sind mehrfach entsprechende Modellrechnungen in den Medien aufgetaucht, in denen davon ausgegangen wird, dass ein Hinterziehungsbetrag aus einem Jahr, welches mehr als 10 Jahre zurückliegt, durchaus mit 60% verzinst werden kann. Allerdings trägt das Finanzamt die Verpflichtung, den Vorsatz nachzuweisen. Andererseits ist entschieden worden, dass bei Auslandskonten bezüglich der nicht versteuerten Kapitaleinkünfte grundsätzlich vom Vorsatz auszugehen. Die Reduktion der Zinsen im Verhandlungswege ist eher schwierig.
Die Festsetzungsverjährung beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 I AO). Beispiel: Hat der Inhaber eines im Ausland befindlichen Kontos für das Jahr 1999 eine unvollständige Steuererklärung abgegeben und das Jahr 1999 erst im Jahr 2002 beim Finanzamt versteuert, so beginnt die Festsetzungsverjährung für das Jahr 1999 erst mit Ablauf des Jahres 2002 und beträgt 10 Jahre.
Die Hinterziehungszinsen betragen auf den jeweilig bezogenen Steuerbetrag 6% pro Jahr und der Zinslauf beginnt mit der Zustellung des jeweils fehlerhaften Steuerbescheides, in welchem diese Steuerlast nicht enthalten war.
Verwertbarkeit einer erworbenen „Steuer-CD“
Das Bundesverfassungsgericht hat die grundsätzliche Verwertbarkeit solcher Daten bestätigt, die von einer CD stammen, welche durch einen Informanten verkauft worden war, und die einen Anfangsverdacht für eine Wohnungsdurchsuchung begründet hatten (BVerfG, Beschluss vom 9. 11. 2010 – 2 BvR 2101/09).
Gegen den Beschwerdeführer war im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Steuerhinterziehung eine Wohnungsdurchsuchung angeordnet worden. Den Anfangsverdacht begründete der Ermittlungsrichter damit, dass ausweislich von Daten über einen Liechtensteiner Treuhänder der Beschwerdeführer über Vermögensanlagen in Liechtenstein verfügte, deren Erträge er gegenüber den deutschen Steuerbehörden nicht angegeben hatte. Die belastenden Informationen stammten von einer Daten-CD, die der BND von einer Privatperson angekauft und im Wege der Amtshilfe der Steuerfahndung überlassen hatte. Das LG hat die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung bestätigt. Dabei hat es die Verwertbarkeit der Steuerdaten auch für den Fall bejaht, dass der Erwerb der Daten-CD letztlich rechtswidrig gewesen sein sollte. Gegen diese Entscheidung wandte sich der Beschwerdeführer. Nach Ansicht der Verfassungsrichter verletzt die Durchsuchungsanordnung nicht die Grundrechte des Beschwerdeführers. Dies gilt auch für den Fall, dass die Daten-CD rechtswidrig erlangt worden sein sollte. Denn auch dann ginge es lediglich um die Fernwirkung eines eventuellen Beweisverwertungsverbots. Eine solche sei aber verfassungsrechtlich nur dann zwingend anzunehmen, wenn es sich entweder um schwerwiegende bewusste oder willkürliche Verfahrensverstöße handelt oder aber der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung des Betroffenen berührt wird. Beides sei hier aber nicht der Fall. Denn die Annahme des LG, die Daten seien verwertbar, sei jedenfalls nicht willkürlich. Da es sich nur um Daten über Geschäftsbeziehungen zu Kreditinstituten handelte, war nach Ansicht des BVerfG auch nicht der Kernbereich der persönlichen Lebensgestaltung berührt.
Auch unter dem Gesichtspunkt des Trennungsgebots zwischen geheimdienstlicher und polizeilicher Tätigkeit sah das BVerfG hier keine Anhaltspunkte für einen Verfassungsverstoß. AG und LG seien davon ausgegangen, dass sich der Informant von sich aus an den BND gewandt habe. Dieser habe die Daten dann im Wege der Amtshilfe lediglich entgegengenommen und sodann an die zuständigen Stellen weitergeleitet. Unter diesen Umständen scheide eine Verletzung des Trennungsgebots aus, denn dieses besage nur, dass die Geheimdienste keine polizeilichen Zwangsbefugnisse besitzen dürfen. Demgegenüber sei die Behauptung des Beschwerdeführers, der BND wäre hier gezielt eingeschaltet worden, um dessen besondere Möglichkeiten zu nutzen, durch nichts belegt.
Ausblick: Mit dieser Entscheidung liegt erstmals eine höchstrichterliche Stellungnahme zum vieldiskutierten Problem der Verwertbarkeit der Liechtensteiner Steuerdaten oder ähnlichen Dateien vor. Der Beschluss bewegt sich dabei in den Bahnen der bisherigen, eher zurückhaltenden Rechtsprechung des BVerfG zu Beweisverwertungsverboten im Strafverfahren. Ob diese Zurückhaltung aber der besonderen Konstellation der Liechtenstein-Fälle gerecht wird, ist fraglich, zumal der Sachverhalt nach wie vor nicht vollständig bekannt ist. Leider setzt sich das BVerfG nicht ernsthaft mit den zahlreichen Stellungnahmen aus der Literatur auseinander, die hier ein Verwertungsverbot bejahen wollen (vgl. etwa Trüg/Habetha, NStZ 2008, NStZ Jahr 2008 Seite 481). Zwar lässt die Entscheidung des BVerfG noch die Möglichkeit offen, dass die Fachgerichte die Steuerdaten aus einfachgesetzlichen Gründen für unverwertbar erklären. Dass sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen werden, erscheint aber sehr unwahrscheinlich.
Denkbare Schritte und Fallkonstellationen
1. Ist einem Steuerpflichtigen kein Ermittlungsverfahren von der Steuerbehörde bekannt gegeben worden, sollte er unverzüglich die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige prüfen.
2. Ist aber ein Ermittlungsverfahren bekannt, gilt folgendes:
a. Nachdem das Ermittlungsverfahren allgemein begonnen hat, ist bei der zuständigen Staatsanwaltschaft oder Strafsachenstelle (Steuer) beim Finanzamt Akteneinsicht zu beantragen. Mit dieser Akteneinsicht soll erreicht werden, dass die betreffenden Unterlagen in Fotokopie zur Verfügung gestellt werden.
b. Es ist zu klären, ob das Ermittlungsverfahren weiterhin am Ort der begonnenen Ermittlung bleibt oder an einen anderen Ort abgegeben wird (gilt in Fällen der Steuer-CD).
c. Gleichzeitig sollte bei einer Abgabe an ein anderes Finanzamt bzw. eine andere Steuerfahndung der dort zuständige Sachbearbeiter erfragt werden.
d. Dann sollte möglichst rasch mit dem Sachbearbeiter ein Gespräch geführt werden, ob es eine „Verständigung“ geben kann. Dieses Gespräch muss allerdings exakt von steuerlicher und rechtlicher Sicht vorbereitet werden. Man kann sagen, hier hat man nur einmal eine gute Chance und wenn einmal falsche Angaben gemacht werden, ist der Goodwill verspielt. Wichtig ist, dass die Steuerschuld sofort bezahlt werden kann.
e. Die Komplexheit der gesamten steuerlichen Ermittlungen spielen ebenso eine Rolle, wie die Frage, wo der ursprüngliche Kapitalbetrag her kommt. Die Kernfrage des Gespräches mit dem Finanzamt wird sich darauf beziehen, ob lediglich Kapitaleinkünfte oder aber der Grundbetrag/Kapitalbetrag, der auf diesem Konto verwahrt wurde, unrichtigerweise nicht der Steuer unterworfen wurde.
Sobald und soweit Bankunterlagen vorhanden sind, sind diese sehr sorgfältig durchzuarbeiten. Unter Umständen können die extrem umfangreichen Unterlagen der Bank ein weiterer Anhaltspunkt dafür sein, mit der Steuerbehörde zu einer Verständigung zu kommen.